Essen auf Rädern
In der Regel geh´ ich montags zum Einkaufen. Schon seit längerer Zeit ist das so, denn auch meine mittlerweile zusammen 179 Jahre alten Eltern wollen in ihrer Wohnung in Schlachtensee noch mit Wildlachs und Erdbeer-Rhabarber Marmelade versorgt sein. Da ich für mich gleich miteinkaufe, ist nebenbei gewährleistet, dass auch mein Kühlschrank mit großer Regelmäßigkeit gefüllt wird. „Das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden“ – Oma lässt grüßen….
Das Auto stelle ich immer auf dem Parkplatz der Autover-mietung im Schweizer Viertel ab. Regelwidrig, aber nur so ist gewährleistet, dass ich überhaupt einen Parkplatz bekomme. Mit meinem Rucksack und der schönen, großen, grün-roten „Blume 2000“ Tragetasche mache ich mich dann auf den Weg über die Straße zum Aldi. Einen meiner beiden Plastikchips klemm ich in den Schlitz am Einkaufswagen und los geht´s durch die sich extra für mich öffnenden Schiebetüren.
Erst mal ein Blick nach rechts, wo ich mir meine Meinung „Bild(e)“. Brauch´ ich Kaffee? Nein, und Filtertüten hab´ ich auch noch, v.a. nachdem ich diese nach dem erstmaligen Gebrauch oft noch ein zweites und drittes Mal benutze, bis die Körner überlaufen. Dass mir diese Einsparmöglichkeit unlängst in den Sinn gekommen ist, darauf bin ich besonders stolz. Beschwingt geht´s also weiter. Butter-Toast auf alle Fälle. Meistens sogar gleich zwei Pakete für die Alten. Der Hunger ist eben groß; außerdem natürlich dazu die ominöse Erdbeer-Rhabarber Marmelade, aber auch die Sorten Sauer-kirsche und Aprikose werden von ihnen gern genommen. Ein Päckchen „Korn auf Korn“ Vollkornbrot landen dagegen für mich im hinteren Teil des Einkaufwagens. Klar, – Himbeeren, Erdbeeren und Mandarinen für die Herrschaften, sowie Äpfel, Bananen (nicht Bio!) und Orangen für meinen Gaumen. Aber auch Eier, dann aber die aus der Freilandhaltung – fürs gute Gewissen und damit es auch besser schmeckt. Forellenfilets (aber bitte ohne Pfeffer!) und zusätzlich Wildlachs – natürlich den Sahnemeerrettich nicht vergessend. Außerdem den Rosé für 1,99, eventuell noch ein paar Flaschen Johannesbeersaft, bevor ich dann zur Abwechslung mal wieder dran komme: „Gourmet“ Rindfleischsalat für das „Korn auf Korn“, gefüllte Kirschpaprikas, Linsensalat und außerdem Gurkensalat in Sauerrahm – alles für den kleinen Hunger, der mich beson-ders abends vor dem Schlafengehen oft befällt.
Dann, Schwenk nach links, zu Käse und Milch. Ich weiß, was ich will: Einmal das große Stück Emmentaler (so für zwischen-durch), dann vier Liter Milch (die Dunkelblaue), ein Paket Quark, irische Butter dagegen für die Lieben (nicht die Kerry Gold!), während ich nur auf die mild gesäuerte zurückgreife und schon bin wieder ich bei meinem Lieblingsregal mit den Süßspeisen angekommen. Hier ist nun beim Kauf Beschränk-ung und oft auch Suchen angesagt. Also nur zwei Vanillepud-dings (die Guten von Ursi) und nur 4 Knix Gries Speisen (möglichst Kirsche) für mich, aber ungefähr das Gleiche noch mal für die Eltern plus ein Topf Grütze für die Beiden – eben-falls Kirsche. In der Gefrierabteilung daneben dann die Salami Baguettes für mich, eventuell noch ´ne Doktor Oetker Salami (Pizza) für die Hochbetagten, sowie außerdem für mich das Schlemmer Filet Bordelais, wobei ich hier einmal konstatieren möchte, dass dieses früher, als dieses noch so richtig schön fettig war, besser geschmeckt hat als der trockene Fischkeks jetzt. Das gilt auch für das Baugleiche von Käpt´n Iglo, der´s ja bekanntlich vom Lebendigen nimmt und welches gleich neben dem ‚no name‘ Produkt im Schrank liegt. Frosta Gerichte hab´ ich noch ein paar im Gefrierfach, daher also nun nur noch ein Abstecher nach links quer durch den Laden – dabei vorbeigehend an all dem was es sonst noch gibt, aber was man nicht braucht, so wie Staubsaugerroboter oder Winkelschleifer zum Beispiel – Richtung Knabbergebäck also, dass bei „Bares für Rares“, der Schmonzette oder dem Tatort am Sonntag zusammen mit dem Rosé genüsslich von den beiden Senioren in ihrem Domizil verzehrt werden kann. Vor allem Nüsse sind dabei sehr gefragt – die Erd- und Cashew-teile von Trader Joe, aber natürlich nur in der gesalzenen Variante. Für Mutti außerdem manchmal additiv ´ne Tüte Salzbrezeln, eventuell dann noch die Nivea Soft Créme oder dann für beide ein paar Tuben Zahnpasta je 45 Cent. Toilettenpapier (4-lagig), auf das die Bundesbürger nach den neuesten Entwicklungen zu urteilen ja ein Menschenrecht haben, hab´ ich erst vor kurzem gekauft und ist in der Terrassenstr. daher noch reichlich vorhanden, allerdings stelle ich vor der Europalette stehend fest, dass ich selbst nur noch zwei Rollen (3-lagig) zuhause habe. Ich pack mir den bevorstehenden Engpass in den Hinterkopf und hebe ihn mir für einen meiner nächsten Einkäufe auf. Reicht noch ein paar Wochen und zur Not kann man ja auch auf Papiertaschen-tücher umsteigen, von denen ich reichlich habe.
So, – hab´ ich jetzt alles? Scheiße, ich hab´ den Grana Padano vergessen, den ich mir immer über meine in Butter gebratenen Maultaschen streue, welche ich gleich noch bei Rewe kaufen werde. Auch das Knoblauchbaguette zum Schlemmer Filet – in der Nähe der Him- und Erdbeeren deponiert – hab´ ich wieder mal liegen lassen. Also noch mal schnell zurück in den hinteren Teil des Ladens, aber den Wagen schon mal in die Schlange eingereiht: „Bin gleich wieder da“, sag ich zu der freundlichen, älteren Dame hinter mir und renne los, und wenn ich Glück habe, wird er von ihr in der Zwischenzeit ein Stück weiter Richtung Kasse gescho-ben. Ach ja, und die Blumen für 1,99 aus Kenia nicht verges-sen: „Für mich soll´s rosa Rosen regnen“, wobei natürlich Mutti gemeint ist.
Dann den ganzen Plastikwahnsinn aufs Fließband. Erst mal meins, dann das der Ahnen. Getrennte Kassen, versteht sich. Die Kassiererin ist schnell, aber ich bin noch schneller, obwohl ich zusätzlich die Waren im Wagen gleich noch sortieren und ordnen muss, denn die großen Wagen sind einfach nicht groß genug für meine Einkäufe. „Ich zahl mit Karte“, „Geht gleich los“. Geheimnummer und das war´s. Fast…, denn nun muss der ganze Klumpatsch schlussendlich noch in die Tüten und Taschen. Dabei ist systematisches Vorgehen angesagt: Die vier Milchkartons (für meinen Kakao oder die Haferflocken-suppe) ganz nach unten in den Rucksack, die zwei wertvollen, gelben Ursi Puddings dagegen vorsichtig ganz nach oben und dabei zusätzlich noch ein bisschen Platz lassend, denn die Becher sind äußert fragil. Einen Absturz und ein Zerdrücken überleben sie meist nicht und man hat dann den ganzen leckeren Schmadder im Rucksack, von dem ich ihn dann ablutschen darf, denn den Rucksack krieg´ ich nicht in die Waschmaschine und der getrocknete Pudding fängt nach einer Zeit bärig an zu stinken. Dafür sind die Becher aber aus biologisch abbaubarem Kunststoff. Ein Spritzer Weichmacher war anscheinend zu teuer.
Mit insgesamt drei gefüllten Behältnissen im Einkaufswagen (eine Alditüte aus alten Zeiten – mit getrockneten Pudding-resten wohlgemerkt – hab´ ich immer in Reserve) schieb ich diesen dann umsichtig aus dem Laden über den Parkplatz, nicht ohne aber zuvor noch mal einen sehnsüchtigen Blick auf die Traumstrände auf den Katalogen mit den Fernreisen am Ausgang des Ladens zu werfen. Aber ich werde ja jede Woche hier in Berlin gebraucht und das nötige Kleingeld hab´ ich auch nicht. Also pack ich die auch in den Hinterkopf und heb´ sie ebenfalls für später auf.
Die Tüten jetzt an der kleinen Garage abgestellt, den Wagen eingeparkt und den Chip raus – dabei aber aufpassend, dass er nicht zu Boden unter die bereits eingeparkten Einkaufs-wagen springt, sonst droht Ärger, weil man dann auf dem Boden umherkriechen und ihn umständlich wieder zu Tage fördern muss, wobei man meist keine gute Figur macht. Der Verkäuferin der Obdachlosenzeitung, die armselig auch bei klirrender Kälte nun neben mir auf dem Boden sitzt, schnell noch zwei Bananen abgegeben (manchmal auch einen Kuchen oder einen Emmentaler – jaaaa, soo großzügig bin ich), den Rucksack auf den Rücken, die Tüten geschnappt und mit den ca. 25 Kilo Lebensmittel auf zum Auto. Heckklappe auf, Plumps, Hecklappe zu. Aber noch immer nicht fertig, denn nun ruft noch mal Rewe von gegenüber.
Dort, drinnen angekommen, geht´s vorbei an den sechs Sorten Äpfeln, den vier Sorten Birnen und drei Sorten Orangen zu den Kühltruhen. Vor mir im Gang eine hoch-gewachsene Bewohnerin dieser Kleingartenanlage für Besserverdiener in Stöckelschuhen, die den Eindruck erweckt, als wolle sie etwas kaufen, aber noch nicht weiß was. „Kann die denn nicht schneller gehen?“, frag´ ich mich aufgebracht. Ich überhole entschlossen – sah eh Scheiße aus. Drei Pakete Burger Maultaschen für je 1,59 (aber nicht die Gemüsedinger, die schmecken nicht) fallen auf das Gitter des Wagens. Mein Wochenbedarf, – billiger leben geht nicht und schmecken tut´s außerdem, v.a. wenn man diese mit ein wenig Butter anbrät und eben mit dem schon erwähnten Grana Padano überbäckt. Vorbei dann auch an den – wahrscheinlich sehr leckeren aber teuren – frischen Oliven in der Kühltruhe zu den Extrawürsten: „Drei Paar Brandenburger Wiener Würstchen plus Eine gleich auf die Hand“. Für Mami, damit sie nicht vom Fleische fällt und außerdem für mich als mein Frühstück im Laden. Den würzigen Appenzeller von der Käsetheke noch (Mittelstück!) und eventuell gleich daneben den Fertigkakao von Bärenmarke (3,5% Fettanteil) – beides für Vati – und außerdem – ein Stückchen weiter und glück-licherweise schon bereits in der Nähe der Kassen – Tiefkühl-kuchen, aber nicht den von Coppenrath & Wiese; Apfel wird neuerdings akzeptiert. Auch die hellblaue Nivea Seife für Frau Mama gibt´s natürlich nur bei Rewe. Dann an die Schlange. Ich warte – warum geht denn das wieder so langsam? … und ich begreife: Ich hab´ mit meiner Schlange natürlich wieder mal die Arschkarte gezogen, denn meine „Lieblingsver-käuferin“ sitzt an der Kasse – die, der man die Schuhe besohlen kann, meine ich, und außerdem: wieder mal nur zwei Kassen auf. Links von mir werde ich schon überholt. Sauerei. Endlich dran: „Nein, ich habe keine Payback Karte; ich hab´ nur die „ich-will-hier-so-schnell-wie-möglich-raus-Karte““. Die Verkäuferin lässt sich nichts anmerken und schweigt in sich hinein. Ja, ich bin auch nur ein Arsch. Geheimnummer, Bon und ab zum Auto. „Maschine starten“, Gas und ab nach Schlachtensee: „Das Essen kommt“.